Was alle über die Schlaraffia wissen sollten.

Hallo, liebe Leserin, liebe Leser!

Dieser kurze Text soll Schlaraffen und Profane (Nicht-Schlaraffen) ansprechen. Ich habe deshalb versucht, so kurz zu schreiben, dass sowohl Schlaraffen als auch Profane (nicht zuletzt Frauen!) möglichst einleuchtend über das informiert, was die Schlaraffia war, ist und sein will.

Um nicht zu abstrakt zu sein, habe ich - Beispiele sind besonders verständlich! - einiges am Beispiel meines eigenen Schlaraffenlebens versucht deutlich zu machen.

Ich wende mich also

an Sassen, also an Männer, die bereits Schlaraffen sind. Ihnen möchte aufzeigen, wie sie sich selbst und anderen die Schlaraffia erklären können.

Darüber hinaus will ich ihnen die Begeisterung zeigen, die ich heute - nach 58 Jahren des Mitspielens - noch immer für dieses herrliche Spiel empfinde.

an werdende Schlaraffen, also an solche, die als Pilger und Prüflinge sich mehr und mehr dem schlaraffischen Spiel von Geist, Kunst, Humor und Freundschaft nähern, bzw. es schon mitspielen. Ihnen will ich versuchen zu vermitteln, wie vielschichtig und doch einfach, wie unvergleichlich erholsam und aufbauend ihre schlaraffische Zukunft sein kann.

an noch zu Gewinnende, also an solche, die noch gar nicht wissen, dass sie Schlaraffen sein werden, und denen ich gern vermitteln möchte, welches Wunderland dieses "Schlaraffenland des Geistes" für jeden sein kann, der es aktiv oder passiv mit gestaltet.

Nicht zuletzt aber habe ich es geschrieben

für Frauen, die mit Schlaraffen verbunden sind, oder deren Ehemänner, Freunde, Söhne und Schwiegersöhne sich anschicken, Schlaraffen zu werden. Frauen spielen für das schlaraffische Leben eine entscheidende Rolle, auf die später noch eingegangen wird.

© Rt. Eulenspiegel der Mime (11) (Harald Scheerer)

+ 1. Wie ich Schlaraffe wurde

Es war in Koblenz an einem regnerischen September-Vormittag des Jahres 1947. Ich war für die neue Spielzeit als Schauspieler und Dramaturg an das wunderschöne, nicht vom Krieg zerstörte Theater engagiert worden. Wir - meine Kollegen und ich - probten auf der Bühne das Stück „Des Teufels General" von Carl Zuckmayer; Regie führte Bruno Schönfeld, der auch Intendant des Theaters war. Schönfeld unterbrach die Probe und bat mich und den Kollegen Wallenda in die direkt neben der Bühne gelegene Intendanten-Loge. Dort stand ein kleiner Tisch, auf ihm eine brennende Kerze und ein präparierter Uhu, sowie drei mit Rotwein gefüllte Gläser. Der Intendant hielt eine Ansprache folgenden Inhalts: "Meine Herren, ich habe Sie hierher gebeten, weil ich zwei mir sehr wichtige Dinge auf dem Herzen habe: Einmal hat der Kollege Wallenda Geburtstag, wozu ich ihm ganz herzlich gratuliere." Jetzt wendete er sich direkt an mich: "Wallenda und ich sind Mitglieder in einem Verein, der 'Schlaraffia' heißt und den es in vielen Orten gibt. Hier in Koblenz heißt der Verein - wir sagen 'Reych' dazu - 'Schlaraffia Confluentia'. Dort ist Herr Wallenda der Ritter Gitarro und ich bin der Ritter Belcampo. In der Schlaraffia sagt man übrigens 'Ehe' statt 'Prost', und jetzt stoßen wir auf Gitarros Geburtstag an: Ehe! Sie, lieber Herr Scheerer, habe ich dazu gebeten, weil ich der Meinung bin, dass Sie ein guter Schlaraffe werden könnten. Heute Abend ist 'Sippung' - so heißen unsere Zusammenkünfte - da nehme ich Sie gleich mit, Sie haben ja heute keine Vorstellung."

+ 2. Die erste "Sippung"

Damals hatte das Wort des Chefs viel Gewicht, also ging ich (widerwillig) mit. Diese meine erste Sippung hat mir überhaupt nicht gefallen. Ungefähr fünfundzwanzig in die gleichen Kostüme (Rüstungen!) gekleidete Herren, mit Baretten (Helmen!) auf den Häuptern, benahmen sich albern und gespreizt, sangen, deklamierten, beschimpften sich, versöhnten sich, freuten sich und waren glücklich - was ich gar nicht verstehen konnte. Aber beim zweiten und dritten Mal gefiel es mir schon besser, denn ich begann, die Zusammenhänge zu begreifen. Danach wurde ich mit viel Freude und Engagement im Reych Confluentia Pilger, Prüfling, Knappe und Junker.

+ 3. Warum ich Schlaraffe wurde

Wenn ich mir heute, nach weit über 50 Jahren, überlege, was mich damals bewogen hat, Schlaraffe zu werden, so sind es im wesentlichen dieselben Gründe, die mich heute noch mit Begeisterung Schlaraffe sein lassen, wobei die Reihenfolge beileibe keine Rangfolge ist.

  • In der Schlaraffia traf ich damals neben (wenigen) Künstlern die Vertreter aller Berufe, deren Ausübung einen gewissen Bildungsstand voraussetzten:  Es gab Kaufleute, Ärzte, Lehrer, Manager, Gelehrte, Pensionäre, Fabrikanten usw. usw.. Diese Auswahl brachte allen Teilnehmern, also auch mir, sehr viele Anregungen.
  • Die Sippungsabende mit ihrem bunten, teilweise anspruchsvollen Programm, eingebettet in ein anfangs merkwürdig erscheinendes, aber sehr fröhliches Spiel, brachten alle Teilnehmer zum Abschalten. Die (zwei Jahre nach Kriegsende) großen Alltagssorgen und die Angst vor einer ungewissen Zukunft, waren wie weggeblasen. Außerdem gab das - teils mehr, teils weniger, aber immer vorhandene - freundschaftliche Verhältnis aller Schlaraffen untereinander einem die Hoffnung, auch im Alltagsleben (der Profanei) notfalls Rat und Hilfe zu bekommen.
  • Sehr wohltuend habe ich auch empfunden, dass nichts von einem verlangt wurde außer Mitspielen. Keiner stand unter Leistungsdruck. Man konnte zur Unterhaltung oder Belehrung beitragen oder auch nicht, ganz wie es einem ums Herz war. Das galt sowohl für die Berufskünstler als auch für die Amateure oder für die, die keine besondere künstlerische Ader hatten, sondern sich mehr durch Zuhören oder durch fröhliche Kommentare auszeichneten. (Der Anteil professioneller Künstler bei den Schlaraffen betrug - geschätzt - damals ca. 10%, heute kaum 2 %.)
  • Auch Nicht-Künstler konnten in der Schlaraffia in Rollen schlüpfen, die ihnen im bürgerlichen Leben versagt waren (Singen, Rezitieren, Malen, Zaubern, usw.). Oder umgekehrt: Wer im Berufsleben stark angespannt war, konnte sich am Sippungsabend bequem zurücklehnen (wenn die Bestuhlung es erlaubte!) und sich berieseln lassen. Das gefiel mir.
  • Ich habe es oft erlebt, dass Schlaraffenfreunde, die anfangs sehr gehemmt waren, im Laufe ihrer Zugehörigkeit zur Schlaraffia immer freier, immer gelöster wurden, was sich auch positiv auf ihr profanes Leben auswirkte. Mir ging es genau so.

Dies waren einige der Gründe, die mich schon damals ganz stark an die Schlaraffia fesselten. Diese Gründe bestehen noch heute, und andere sind dazu gekommen - doch davon später.

+ 4. Blick in die Vergangenheit

Es war in Prag, am 10. Oktober des Jahres 1859, einem schönen, aber schon recht kühlen Abend. Aus "Freund's Restauration" , Ecke Wassergasse und Grube, ertönte lauter Jubel, so dass Vorbeigehende einen Moment stehen blieben, um zu lauschen.

In der Gaststube fand soeben die Gründung eines Vereins statt, von dem die Gründer damals noch nicht wissen konnten, welche Bedeutung er einmal haben würde, und wie viel Freude er vielen Menschen auf der ganzen Welt bringen würde.

Prag gehörte übrigens damals zu "Österreich-Ungarn", dieses wiederum zu dem Verbund von Ländern, aus dem das "Deutsche Reich" bestand.

+ 4.1. Vom "Proletarierclub" zur "Schlaraffia"

Die Gründungsmänner waren Musiker, Sänger, Komponisten, Schauspieler, Literaten und Kunstfreunde. Sie machten aus ihrem Stammtisch mit dem durchaus aggressiv gemeinten Namen "Proletarierclub" einen Verein, den sie später "Schlaraffia" nannten. "Schlaraffia" als Gegenentwurf zur elitären poetisch-literarischen Gesellschaft "Arcadia", die damals das Kunstleben im deutschen Teil Prags dominierte.
(Einhundervierzig Jahre später füllte ein nachdenklicher Schlaraffe den Zufallsbegriff "Schlaraffia" mit dem
immer wieder zutreffenden Inhalt "Schlaraffenland des Geistes" aus.)

Es waren zunächst 23 Mitglieder. Vereinszweck sollte sein: "Pflege der Kunst und des Humors".

Prag war also die Keimzelle der Organisation, die heute "Allschlaraffia" heißt, inzwischen fast 150 Jahre alt ist, zwei Weltkriege, das "Dritte Reich" und den Kommunismus überstanden hat und heute weit über 10.000 Mitglieder zählt.

Wie ging es nun mit der "Schlaraffia Praga" weiter?

Die Gründer (von uns heute spielenden Schlaraffen "Ur-schlaraffen" genannt) und ihre Nachfolger hatten nicht vergessen, dass ihr Verein anfangs "Proletarierclub" hieß und betteten ihren Vereinszweck, Pflege von Kunst und Humor, in ein Ritterspiel ein, das laufend weiter entwickelt wurde und - außer dass es Freude machte und heute noch macht - das selbstgerechte und aufgeblasene Gehabe von Obrigkeiten persiflierte.

+ 4.2. Immer neue Reyche

Dieses freudige Geschehen in Prag sprach sich auch in anderen Städten herum und fand Nachahmer, die sich aber an der "Praga" ausrichteten. So entstanden laufend neue Schlaraffenreyche nach Prager Muster, die nach der Reihenfolge ihrer Entstehung nummeriert wurden. "Praga" trug die Reychsnummer 1, "Berolina" 2, "Stutgardia" die Nr. 11, usw.

Die letzte Gründung (im Jahr 2004) ist die Colonie (Vorstufe eines "Reyches") "Unterem Mehlsack" im württembergischen Ravensburg.

Es gibt heute, im Jahr 2005, nach schlaraffischer Zeitrechnung anno Uhui (a. U.) 146 (Jahr 1 = Gründungsjahr 1859), ca. 264 Reyche und Colonien in rund 20 Ländern auf allen fünf Kontinenten.

+ 5. Blick in die Gegenwart

Die Urschlaraffen haben deutsch gesprochen und in ihrer Satzung Deutsch als Sprache der Schlaraffen bestimmt.
Deshalb gibt es Schlaraffenreyche vorwiegend in deutschsprachigen Ländern. Auch in fremdsprachigen Ländern, wie z. B. den USA, Südafrika, Belgien usw., werden die Sippungen in deutscher Sprache durchgeführt.

Auch Staatsbürger von nicht-deutschen Ländern können Schlaraffen werden, wenn sie die Voraussetzungen dafür, auf die ich noch eingehen werde, erfüllen.

Die Gesamtheit aller Schlaraffen heißt "Allschlaraffia", die allschlaraffische Welt wird "Uhuversum" genannt.
Uhuversum deshalb, weil der Uhu in Allschlaraffia eine ganz besondere Rolle spielt, die ich noch schildern werde.

+ 5.1. Aufbau und Entwicklung

Organisatorisch gliedert sich das Uhuversum zur Zeit noch in fünf "Landesverbände":

  • Schlaraffia Austria
  • Schlaraffia Deutschland
  • Schlaraffia Helvetica
  • Schlaraffia Lateinamerika
  • Schlaraffia Nordamerika.

Bis in das dritte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wurde Allschlaraffia vom Gründungsreych der Schlaraffia, der "Allmutter Praga" geführt.

In den politischen Wirren der Vorkriegs- und Kriegszeit wurden die Praga und alle anderen Reyche in den totalitär regierten Ländern verboten.

Seit dem Verbot der Praga "regiert" der "Allschlaraffenrat" das Uhuversum. Seine Mitglieder sind die Vertreter aller Landesverbände.

Jedes einzelne Schlaraffenreych ist unabhängig und souverän. Der Allschlaraffenrat überwacht aber das Einhalten der Spielregeln des "Schlaraffischen Spiels", die damals von den Urschlaraffen entwickelt und bis heute in ihrem Sinne fortgeschrieben wurden.

Diese Spielregeln sind in straffer, einleuchtender und humorvoller Form festgelegt im sogenannten "Schlaraffen-Spiegel und Ceremoniale".

Darüber hinaus nimmt der Allschlaraffenrat eine Reihe belohnender, koordinierender und beratender Funktionen der früheren Allmutter war.

+ 5.2. Das schlaraffische Spiel und sein Rahmen

Das schlaraffische Spiel wird in den Reychen gespielt, deshalb dient deren Organisation konsequent der Durchführung dieses Spiels.

An der Spitze des Reyches stehen, bzw. sitzen (in der Sippung) auf dem "Thron" die drei "Oberschlaraffen".
Sie werden während der Sippung ehrfurchtsvoll mit "Eure Herrlichkeit" angeredet.

Die Geschäfte des Reyches führt der "Kantzler", dem die Anrede "Euer Vieledlen" gebührt. Er hält die Verbindung zum Verwaltungszentrum Allschlaraffias, der "Zentral-kantzlei", zu den befreundeten Reychen, dem Allschlaraffenrat, den Ehrenrittern usw.

Der "Reychsmarschall" verfasst und führt die "Reychs-matrikel" (Mitgliederliste), die "Ehrenmatrikel" (Liste aller Auszeichnungen) und die Sippungsprotokolle. Nur er allein ist berechtigt, allerdings nur auf Befehl des "Fungierenden" - das ist der Oberschlaraffe, der die Sippung leitet - das "Tamtam" (den Gong) zu schlagen -ein schier unglaubliches Privileg!

Der "Junkermeister" "erzieht" und unterweist mit unerbittlicher Strenge (!) die Knappen und Junker und steht für deren Verhalten in der Sippung gerade, was bei der überschäumenden Jugend dieser Männer (20 - 100 Jahre) nicht immer ganz einfach ist. Sein Disziplinierungsgerät ist die Knute; ihm steht die bezeichnende Anrede "Euer Gestrengen" zu.

Natürlich gibt es auch einen "Reychsschatzmeister", der den auch bei Schlaraffen wichtigen "Mammon" (=Geld") sammelt und verwaltet. Er ist nicht um sein Ambt zu beneiden, da er oft wegen übergroßen Geizes beschimpft wird. Er dirigiert den "Säckelmeister", der "Pönen" (Strafen) und sonstige Abgaben bei den Sassen eintreibt.

Eine Art Visitenkarte jedes Reyches ist der "Ceremo-nienmeister". Die die Sippung besuchenden (einreytten-den) Sassen befreundeter Reyche (das sind alle Reyche des Uhuversums!) werden von ihm betreut und vor den Thron geführt.

Darüber hinaus leitet und überwacht er alle die höchst würdigen Zeremonien, die im Laufe der "Winterung" (Zeit, in der gesippt wird) zelebriert werden müssen.

Wichtig für den erfolgreichen Ablauf des Spiels ist auch der "Zinkenmeister", der auf dem "Clavicimbel" (Klavier) die fröhlichen oder feyerlichen Lieder begleitet, Fanfaren spielt oder imitiert und häufig auch solistisch tätig wird.
Wohl dem Reyche, das einen guten "Hofnarren" sein eigen nennt! Dieser kann jederzeit ohne zu fragen (jeder andere muss den Thron um's Wort bitten) das Wort ergreifen und witzig kommentieren und sogar angreifen, ohne dass er vom Fungierenden "gepönt" (bestraft) wird.

Ein guter Hofnarr kann jeder Sippung besonderen Glanz verleihen.

So wichtig diese Würdenträger und Ambtsinhaber auch sind, im Prinzip bestimmen die drei Oberschlaraffen den geistigen Kurs eines Reyches. Sie sind die Spielleiter.

Das können sie allerdings nur bis zur nächsten Wahl, die alljährlich am Ende der Winterung stattfindet - eine weise demokratische Einrichtung!

+ 5.3. Spielzeit nur im Winter

Da die Urschlaraffen fast alle Theaterangehörige waren und das Deutsche Landestheater in Prag, wie alle Theater, nur im Winter spielte, mussten sie im Sommer (wo sie nicht bezahlt wurden) "tingeln", d. h. ihr Geld bei Sommerveranstaltungen in Kurorten, bei Konzert- und Rezitationsabenden, Gastspielen usw. verdienen.

Deshalb wurde es bis heute zum unumstößlichen Brauch, nur im Winter zu sippen: in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 30. April. Die Sippung ist immer am selben Wochentag ("Uhutag"), den jedes Reych für sich individuell festlegt.

+ 5.4. Die Burg und ihre Gestaltung

Jede Schlaraffen"burg" - so wird der reychseigene oder gemietete Raum genannt, in dem die Sippungen stattfinden - ist festlich-ritterlich geschmückt mit den Farben des Reyches, den Wappen der Ritter des Reyches, den Wappen des Reyches, des Mutterreyches und der Allmutter Praga, dem "Reychsbanner" und einem oder auch mehreren geschnitzten oder präparierten Uhus.

Am stärksten aber wird das festliche Bild der Burg durch die Sassen und ihre "Rüstungen" geprägt.
In vielen Reychen tragen die Ritter Rittermäntel und in allen Reychen den "Helm" (aus Stoff!) in den Reychs-farben, die von Reych zu Reych verschieden sind. Die Junker tragen den "Junkerhelm", die Knappen die "Sturmhaube", "Prüflinge" die "Prüflingsmütze" und "Pilger" die "Pilgermuschel" oder den "Pilgerhut". (Warum dieses ritterliche Gehabe, werde ich noch erklären.)

So bietet eine gefüllte Burg, in der zumeist auch noch Sassen anderer Reyche in ihren Farben anwesend sind, ein erhebendes Bild!

Bei entsprechenden Gelegenheiten sind die Sassen dann auch noch bewaffnet, ein gar furchterregender Anblick! Allerdings sind die Schwerter (Ritter), Dolche (Junker), Partisanen (Knappen) zumeist aus Holz.

+ 5.5. Der Thron

An der Stirnseite der Burg steht der schon erwähnte, ebenfalls festlich geschmückte Thron, auf dem die drei Oberschlaraffen sitzen. Der in der Mitte (er steht zumeist) ist der "Fungierende". Rechts und links vom Thron residieren und ambtieren Kantzler und Reychsmarschall.

+ 5.6. Die Junkertafel

Nahe beim Thron - wohl der besseren Überwachung wegen - befindet sich die "Junkertafel", präsidiert vom "gestrengen" Junkermeister.

Dort sitzen nicht nur die Junker, sondern auch die Knappen, also der gesamte schlaraffische Nachwuchs des Reyches.

+ 5.7. Die Rittertafel mit Zubehör

Die "Rittertafel" besteht, wenigstens in größeren Reychen, aus mehreren Tischen. Dort sitzen die edlen "Ritter" und lauschen atemlos den Ausführungen der fungierenden Herrlichkeit und den sonstigen musikalischen, künstlerischen, unterhaltsamen, humorvollen und geistreichen Beiträgen zur Sippung.

Sehr wichtig sind noch "Clavicimbel" (= Klavier oder Flügel) und "Rostra" (= Vortragspult), die so platziert
werden, dass sie gut sichtbar sind, und das, was von ihnen geboten wird, gut hörbar ist.

Das Clavicimbel wird vom Zinkenmeister "geschlagen" oder von sonstigen Sassen, die mit ihrem musikalischen Können das Reych erfreuen wollen.

Aus der Rostra bringen die Sassen, die sich dazu berufen fühlen, ihre Beiträge zur geistigen Erhebung und zur Freude des Reyches.

+ 5.8. Soziologie der Sassenschaft

Versetzen wir uns zurück in die Zeit der Urschlaraffen im Reyche Praga. Sie waren mit wenigen Ausnahmen professionelle Künstler: Sänger, Schauspieler, Musiker. Später erweiterte sich der Kreis um Mitglieder, die keinen oder einen anderen (z. B. Maler) künstlerischen Beruf ausübten, aber zum Teil wenigstens Hobbykünstler waren.

Zunächst aber waren die Profis fast unter sich. Sie begeisterten sich gegenseitig, in dem sie Teile aus ihren Rollen, die sie am Theater sangen oder spielten, vortrugen oder veralberten, gemeinsam schnell gedichtete und komponierte Lieder sangen, fröhliche Anekdoten erzählten usw.

Heute ist die Zusammensetzung der Sassen eines Reyches eine völlig andere. Es gibt nur noch wenige Profi-Künstler. Trotzdem sind im "Schlaraffenland des Geistes", also in fast jeder Sippung, Kunst und Humor nach wie vor die tragenden Säulen des Spieles.

Nur werden die "Vorträge" (keine Eigenschöpfungen, z. B. der Vortrag eines Gedichtes von Goethe oder einer Beethoven-Sonate) oder die "Fechsungen" (Eigenschöpfungen, z. B. ein eigenes Gedicht, eine eigene Komposition usw.) heute meist von Amateuren, also Angehörigen nicht-künstlerischer Berufe präsentiert.

+ 6. Die vier Elemente des schlaraffischen Spiels

+ 6.1. Gegenseitiges Geben und Nehmen

In der Sippung hat jeder die Möglichkeit, sein Steckenpferd zu reiten oder sonstige Begabungen ins Spiel zu bringen.
Jeder der Lust hat, der es sich zutraut, und der sich entsprechend vorbereitet hat, geht in die Rostra, zeigt seine Malerei, macht Musik, singt, trägt etwas vor, meldet sich zu Wort, um Beiträge anderer zu kommentieren, hält Vorträge über ein interessantes Wissensgebiet oder erfreut auf andere Weise die Sassen und erweitert so deren Geist und Wissen und erfreut ihr Gemüt. Kleinere Beiträge können auch vom „sesshaften Platz" aus gebracht werden.
Dabei werden Themen der Bereiche Politik, Religion oder Geschäft ausgespart. Außerdem werden Zoten nicht toleriert.

+ 6.2. Das Ritterspiel und seine Spieler

Dieses gegenseitige Geben und Nehmen wird nun in einen zweiten Spielbereich eingebunden:
Das Rittertum, oder genauer gesagt, seine Parodie.
Bevor ich das beschreibe, möchte ich auf den Werdegang eines Schlaraffen eingehen, denn an seinem Ende wird jeder „Ritter" - und mehr als Ritter kann kein Schlaraffe werden. Alles andere sind Ämbter, Würden und Ehrungen auf Zeit.
Der Mann, der sich für Schlaraffia interessiert, wird zunächst von einem Sassen des Reyches, in dessen „Gemarkungen" er wohnt, als „Pilger" eingeführt. Er ist dann ein lieber Besucher und wird als solcher empfangen und behandelt. Er kann selbstverständlich auch (nach Genehmigung durch den fungierenden Oberschlaraffen) zum Reych reden, etwas vortragen usw.
Hat er mindestens drei Sippungen als Pilger besucht, beabsichtigt danach, Schlaraffe zu werden, und das Reych ist einverstanden, wird er zum „Prüfling" ernannt. Dann ist er zwar noch kein Schlaraffe, aber er darf mitspielen
Nach erfolgreicher Prüflingszeit kann er Schlaraffe wer den, wenn er und das Reych das noch wollen. Er wird nach positiv verlaufener Kugelung (= Abstimmung) Knappe und als solcher in das Reych und damit in Allschlaraffia aufgenommen.
Damit ist er aber immer noch kein Ritter; das wird er nach Ablauf seiner Knappen- und Junkerzeit durch den feyerlich-heiteren Ritterschlag.
Während er als Knappe eine Nummer und als Junker seinen Vornamen trägt, kann er sich jetzt aus drei Vorschlügen seinen Ritternamen auswählen, den es in Allschlaraffia jeweils nur einmal gibt, der also ein Unikat ist. Dieser Name charakterisiert meist doppelbödig-humorvoll seinen Träger, dessen Eigenschaften und Neigungen oder auch seine Herkunft.
Dadurch wird dieser Rittername nicht unbedingt „ritterlich". „Weißnix" oder „Rum-rast-er" oder „Eulenspiegel", um Beispiele zu nennen, sind wirklich keine ritterlichen Namen.
Aber jeder Ritter, gleich wie er heißt, wird geadelt durch die Anrede: „Ritter". Weißnix heißt also nicht einfach „Weißnix", sondern „Ritter Weißnix" Das klingt doch gut, oder nicht?
Anschließend bringe ich als Beispiele 26 nach dem Alphabet geordnete Ritternamen, die ich aus der „Allschlaraffischen Stammrolle", dem Mitgliederverzeichnis der Schlaraffia, willkürlich übernommen habe:

Atilla Blitzschneck Cellcanto
DeVaustus Erdlieb Floh-hax
Geh-Moll Hilbendritsch Ick-schmier
Jo-Kuss Komm-Promiss Libri-Phil
Mäk-Ap Nitretto Omnifex
Per-sie-Flasch Quaestor Rasant
Sattelfest Trias Uhlenköper
Van der Goschen Wief Xylander
Y-grec Zo-oh-Flax  

Der Phantasie, aber auch der Bezüglichkeit sind bei Auswahl der Ritternamen keine Grenzen gesetzt!

Wie kam es zum Ritterspiel?
Zur Gründungszeit der Praga Mitte des 19. Jahrhunderts herrschte in der deutschen Bürgerschaft eine große Begeisterung für das (scheinbar) romantische Mittelalter, speziell für die Ritterzeit. Da lag es nahe, sich aus den damaligen Ritualen zu bedienen. Auch die Lust zur Persiflage wird dabei eine Rolle gespielt haben; die schlaraffischen (Pseudo)-Würden und ihre devote Verehrung lassen sich leicht dazu benutzen, die unbeliebten Obrigkeiten in der „Profanei" (Nicht-schlaraffische Welt) zu verhöhnen.
Die Urschlaraffen nannten sich zunächst nicht „Ritter". Es war eine allmähliche Entwicklung, die dazu führte, sich in das romantisch verklärte Mittelalter Kaiser Maximilians I, des „letzten Ritters", hinein zu versetzen.
Diese Entwicklung führte dazu, dass die Schlaraffen heute in „Burgen" sippen, dass sie eine „Rüstung" tragen, dass sie eine eigene pseudo-mittelalterliche Sprechweise annahmen, dass einige der Zeremonien pseudo-mittelalterli- chen Charakter haben, z. B. der „Ritterschlag", dass sich ein gravitätisch-gespreiztes Hofzeremoniell entwickelte, dass die „Romantik" des Mittelalters adaptiert wurde, dass der „Blauen Blume der Romantik" in vielen Reychen übertrieben gehuldigt wird usw.. Durch dieses Rittertum entstand auch die Spielhierarchie Knappe - Junker - Ritter.
Wir sind für diese Entwicklung dankbar, denn sie gestattet es uns heute, dieses so vielseitige und heitere Ritterspiel zu zelebrieren.
Auch die in den Sippungen gebotene gegenseitige Anrede mit dem altertümlichen „Ihr" statt mit „Sie" oder „Du" ist Teil dieser Entwicklung.

+ 6.3. Kunst und Humor

Wir haben jetzt zwei Spielelemente des schlaraffischen Spiels kennen gelernt:
• Das Geben und Nehmen der Sassen in Vortrag und Fechsung
• Das Pseudo-Ritterspiel
Diese beiden Elemente allein würden die Sippung kaum von einem bunten Abend oder einem Laienspiel unterscheiden, wenn nicht noch ein drittes, entscheidendes Element hinzu käme:
Die Pflege von Kunst und Humor.
Dieses Element ist Satzungsbestandteil der Schlaraffia und sorgt für Niveau in den Sippungen.
Manchmal bestimmt es auch das Thema der Sippung, denn viele Sippungen, in vielen Reychen, werden unter ein bestimmtes Thema gestellt, z. B. „Musik im Blut - tut jedem gut", „Hermann Hesse und wir", „Alt und verstaubt, aber gut" usw.
Da diese Themen schon lange vorher bekannt sind, kann sich jeder - aktiv oder passiv - darauf vorbereiten.
Durch dieses Element: „Pflege von Kunst und Humor", wird jedes Schlaraffenreych zum „Schlaraffenland des Geistes".
An dieser Stelle möchte ich noch darauf hinweisen, dass jedes Reych die Möglichkeit hat, bedeutende verstorbene („in Ahalla weilende") Männer aus Kunst und Wissenschaft zu „Ehrenschlaraffen" zu „erküren".
Das Reych verpflichtet sich damit gewissermaßen, das künstlerische und gedankliche Erbe des Erwählten zu pflegen.
Das schlaraffische Spiel würde auch mit den drei Elementen: „Geben und Nehmen der Sassen" in einem „Ritterspiel", unter strikter „Pflege von Kunst und Humor" keinen Bestand auf Dauer haben, wenn nicht ein viertes Element dazukäme:

+ 6.4. Das Hochhalten der Freundschaft

Dieses wichtige Element des schlaraffischen Spiels war in den ersten Satzungen der Praga noch nicht vorhanden und wurde erst einige Jahre später aufgenommen. Das hing wohl damit zusammen, dass die Urschlaraffen ohnehin freundschaftlich miteinander verbunden waren, und ein solcher Passus im Gesetzeswerk sich nicht anbot.
Aber als dann einige der Gründer in andere Gemarkungen wegzogen und neue Ritter hinzukamen, dann auch noch neue Reyche gegründet wurden, entstand die Notwendigkeit, neben den bisherigen verbindenden Elementen „Kunst" und „Humor" noch eine enger verbindende Klammer zu finden: Da bot sich die „Freundschaft" an.
Natürlich war das damals kein bewusster Vorgang, aber er hatte entscheidende Auswirkungen. Er verlieh der Schlaraffia Dauer und machte Allschlaraffia erst möglich.
Hier die Gründe:
• Die Vorträge und Fechsungen in den Sippungen wurden ja bald überwiegend von Nicht-Künstlern, also Amateuren vorgetragen oder auch gedichtet, komponiert, gemalt usw..
Dadurch ist das Niveau der einzelnen Beiträge durchaus unterschiedlich - im Vortrag und im Inhalt bzw. Gehalt.
Die Zuhörer, also die anderen Sassen, finden das Gebotene ebenfalls unterschiedlich, teils gut, teils schlecht, was auf die Leistungen der Profi-Künstler natürlich ebenso zutrifft.
• Nun verhindert die dank Uhu vorhandene Freundschaft, die man dem Vortragenden entgegenbringt, dass abfällig geurteilt wird. Das fiel mir schon angenehm auf, als ich die Schlaraffia seinerzeit in Koblenz das erste Mal besuchte: Beifall gibt es für den Versuch - gleich, ob geglückt oder nicht geglückt - nicht nur für das Ergebnis. Das macht natürlich Mut, auch einmal in die Rostra zu gehen, selbst auf die Gefahr hin, sich zu blamieren.
• Jeder Schlaraffe kann jederzeit in die Sippungen jedes Schlaraffenreyches im Uhuversum „einreytten", wie es ritterlich heißt, und ist gewiss, als guter Freund (schlaraffische Grundfreundschaft) empfangen zu werden. Das schafft eine starke Bindung aller Schlaraffen untereinander.
Diese Freundschaft zeigt sich natürlich auch außerhalb der Sippungen in der profanen Welt - also über das schla- raffische Spiel hinaus.
Freundschaft ist ja ein sehr komplexer Begriff. Jeder versteht etwas anderes darunter. Ich will hier auch keineswegs eine Definition versuchen. Aber es gibt einiges, das den vielen subjektiven Freundschaftsbegriffen gemeinsam ist.
Da jeder Mensch einen anderen Freundschaftsbegriff hat, ist auch der Grad jeder subjektiven Freundschaft unterschiedlich stark.
Wenn der Spiegel als einen der Hauptgrundsätze schla- raffischen Wesens die „Hochhaltung der Freundschaft" vorschreibt, so will er damit gewiss nicht sagen, das Freundschaftsgefühl jedes Schlaraffen jedem Schlaraffen gegenüber müsse gleich stark sein. Es gibt, wie überall, auch unter den Schlaraffen verschiedene Stärkegrade der Freundschaft.
Diese im Spiegel postulierte Freundschaft scheint zunächst einmal eine Art „Zwangsfreundschaft" zu sein: Ich verpflichte mich beim Eintritt in die Schlaraffia, mehr als zehntausend Männern ein Freund zu sein. - Das ist natürlich nicht möglich, wenn wir einen einheitlichen Freundschaftsbegriff zu Grunde legen würden.
Das Reych in seiner Gesamtheit aber bringt jedem neuen Mitglied offene Freundschaft entgegen. Diese Freundschaft umfangt den Einzelnen wie eine Aura, integriert ihn in das Reych.
Dieses Erlebnis hat - abgeschwächt - jeder, also auch ältere Sassen, beim Einritt in ein ihnen bisher unbekanntes Reych.
Dieses Vorhandensein einer Art schlaraffischer „Grund- freundschaft" ist dann die Basis für das Entstehen persönlicher Freundschaften der Sassen untereinander. Dadurch - und durch die weisen Eintrittsvoraussetzungen des Spiegels, die eine menschlich positive Auslese bewirken - ist es jedem möglich, fast allen anderen Schlaraffen in irgend einem Grad Freund zu sein.
Allerdings wäre es denkbar, dass ich Schlaraffen begegne, denen gegenüber es mir schwer fallt, freundschaftliche Gefühle zu entwickeln. Oder aber - auch Schlaraffen sind Menschen! - es geschieht innerhalb oder außerhalb der Schlaraffia irgend etwas, das die bisher freundschaftlichen
Bande mit einem anderen Sassen zerreißt oder gar nicht erst möglich macht.
Dann zeigt sich die Stärke der allgemeinen schlaraffischen Bindungen. Der Respekt vor dem Spiel und die hohe Toleranzschwelle in Schlaraffia machen es möglich, auch in diesen Fällen weiter miteinander zu spielen.
Die Freundschaft hochzuhalten ist ein hohes Ziel, das gleichzeitig der Weg zum Ziel ist. Es gibt keinen Endpunkt, der es uns erlaubt, die Bemühungen einzustellen. Das Ziel „Freundschaft" muss immer wieder, Tag für Tag, angestrebt werden. Es ist ein nie endender Weg.

+ 7. Das Spielfeld: die Sippung

Versetzen wir uns doch einmal in eine Sippung:
Das Spiel wird von den anwesenden Rittern, Junkern und Knappen bestimmt, genauer gesagt von Menschen, „die so tun, als ob" sie Ritter, Junker und Knappen wären.
Dazu müssen sie bestimmte, genau festgelegte Spielregeln in Worten und Handlungen einhalten.
Verstoßen sie dagegen, werden sie vom fungierenden Oberschlaraffen oder von anderen Sassen in feierlich entrüsteter Form darauf aufmerksam gemacht und zur Ordnung gerufen.
Das macht oft sehr viel Spaß!

+ 7.1. Nicht nur der Papst ist unfehlbar

Der Fungierende, also der, der die Sippung leitet, ist unfehlbar in Worten und Taten. Wie er fungiert, bleibt ihm überlassen, ob er moderat moderiert, oder ob er despotisch herrscht, er beansprucht absoluten Gehorsam - eine Persiflage auf die „unfehlbaren" Obrigkeiten zu Gründungszeiten der Praga (nur damals?).
Daran halten sich natürlich viele Sassen nicht und werden „aufmüpfig". Dadurch entstehen oft humorvolle und geistreiche Wortgefechte zwischen einzelnen Sassen und/oder dem fungierenden Oberschlaraffen und den Sassen.

+ 7.2. Die beiden Teile der Sippung

Der Ablauf einer Sippung ist durch „Spiegel und Ceremoniale" (Satzung und Spielregeln) vorgegeben und ist somit im ganzen „Uhuversum" gleich.
Jede Sippung besteht aus zwei Teilen, die sich deutlich voneinander unterscheiden.
Der erste Teil, der „ambtliche" Teil, ist in erster Linie dem Ceremoniale gewidmet:
„Einritt" und Begrüßung der „Gastrecken" (Sassen anderer Reyche), Verlesen von Protokollen, Reiseberichte von Sassen, die in andere Reyche eingeritten sind, Ehrung verdienstvoller Sassen, schlaraffische und profane Geburtstage usw. usw.
Wenn der fungierende Oberschlaraffe die Sippung entsprechend im Griff hat, und die Sassen agieren und reagieren, hat gerade dieser erste Teil der Sippung, der nach scheinbar strengen pseudo-ritterlichen Regeln abläuft, besonders fröhlichen Spielcharakter.
Leider wird das oft von vielen Sassen nicht erkannt (auch von vielen Oberschlaraffen nicht).
Die Urschlaraffen haben vermutlich diesen ersten Teil der Sippung besonders geschätzt, weil sie hier so manchen Alltagsfrust abreagieren konnten.
Es gibt im Laufe der Winterung auch Sippungen oder Sippungsteile, die fast ausschließlich „ceremonialen" Charakter haben, also ohne große Eigenleistungen der Sassen ablaufen:
Der Ritterschlag, die Ahallafeyer (Totengedenken), das Ordensfest, die „Schlaraffiade", die sich nur mit organisatorischen Dingen befasst usw.

+ 7.3. Im Ablauf gleich - im Inhalt ganz verschieden

Alle Sippungen aber, ob ohne oder mit Thema, auch feierliche Sippungen, bestehen aus den vier erwähnten Spielelementen:


Geben und Nehmen (Beiträge der Sassen)
mit
Kunst und Humor
im
Ritterspiel
unter
Hochhalten der Freundschaft.


Diese Mischung ergibt bei richtiger Dosiemng oft herrliche Augenblicke, die auch durchaus ernsten Charakter haben können.
Ein mit Eifer betriebenes Spiel ist ja überhaupt eine ernst zu nehmende Angelegenheit.
Jemand, der nicht Schlaraffe ist, kann es sich nicht vorstellen, welche entspannende und gleichzeitig aufbauende Wirkung dieses Zusammenwirken verschiedenster geistiger, seelischer, freundschaftlicher Elemente haben kann, auch auf die nicht aktiv beteiligten Sassen.
Auch das sind Augenblicke, in denen das entsteht, was wir „Schlaraffenland des Geistes" nennen.

+ 7.4. So tun, als ob...

Natürlich wissen die Schlaraffen, dass sie keine „Knappen", „Junker" und „Ritter" sind, wie das schlaraffische Spiel es vorsieht. Aber sie tun so „als ob". Mit diesem „so tun, als ob" verlassen sie ihr „Ich" und treten ein in das „Wir" des Spieles.
Das gehört zum Ernst des Spieles und ist Voraussetzung für seinen Erfolg:
Jeder Spieler in seiner Spielwürde nimmt jeden Mitspieler in dessen Spielwürde sehr ernst.
Das gilt für den Mitspieler, der das Spiel aktiv beein- flusst, z. B. den fungierenden Oberschlaraffen oder auch den Knappen, Junker oder Ritter, der in die Rostra geht oder musikalisch etwas beiträgt oder eine humorvolle Bemerkung macht. Das gilt genauso für den Sassen, der nur zuhört und Beifall spendet.
Das gilt auch für alle Würdenträger (gewählt) und Reychsbeambte (ernannt), die im Rahmen ihrer Möglichkeiten viel Zeit und Kraft opfern, um das Spiel zu ermöglichen, in Gang zu halten und allen Mitspielern die weisen und herrlichen Spielregeln (Spiegel & Ceremoniale!) vorzuleben und sie mit Leben zu füllen.
Dabei darf niemand vergessen, dass er nur so tut, als ob er Knappe, Junker, Ritter, Reychsbeamter oder „Würdenträger" (welch schönes Wort!) ist. Jeder muss zwar den Mitspieler in seiner Würde ernst nehmen, sollte sich aber immer wieder darüber im Klaren sein, dass er nicht wirklich Knappe, Junker usw. ist.
Das wäre ebenso fatal, als wenn ein Schauspieler, der Napoleon spielt, sich einbilden würde, wirklich Napoleon zu sein.
Bei einem der Spielelemente, der Freundschaft nämlich, kann man allerdings nicht so „tun als ob".
Orden und „Ahnen" (kleinere Auszeichnungen) werden mit Freude und würdigem Ernst entgegengenommen, aber jeder weiß, dass er sie nur im Spiel besitzt.

+ 7.5. Der „Güldene Ball"

Ein besonderer Höhepunkt des schlaraffischen Spieles ist es, wenn der „Güldene Ball" fliegt. Was heißt das?
Die Metapher vom „Güldenen Ball" wurde von meinem „in Ahalla weilenden" (verstorbenen) Freund „Juppitter der Kindergott" des hohen Reyches Castrum Bonnense (Bonn) in seinem Buch „Das schlaraffische Spiel" (siehe Anhang) geprägt.
Hier das Zitat:
„Jeder Schlaraffe hat schon die ereignisvollen Sippungen erlebt, in denen, manchmal durch ein ungewolltes Stichwort ausgelöst, die Sassenschaft zu Spruch und Widerspruch herausgefordert wird, mit Blitzfechsungen und Uhublitzen (Stegreifantworten) den fröhlichen Zauber sich streitender Recken spielt und sogar zum Fehdehandschuh greift, so dass lautes Lachen den Rittersaal erfüllt, die Vortragsfolge zurücktritt und des Spieles Unberechenbares hin und her wogt.
Dann fliegt der „Güldene Ball des schlaraffischen Spieles " von der „ Opposition " zum Thron, vom Thron zur Rittertafel, von der Rittertafel zur Junkertafel, genau nach den Spielregeln des Ceremoniale, aber frei und befreiend. Das ist der Augenblick höchster Sippungsfreude, und dann zeigt es sich, ob das Reych das geistvolle und fröhliche Spiel beherrscht. ... denn dann sind auch die beteiligt, die nicht die Begabung zu Fechsung und Vortrag haben, aber Geist und Humor, um das Spiel zu beleben.
Wie mancher stille und vermeintlich kontaktscheue Sasse hat schon mit trockenem Humor und wenigen Worten dieses eigentlichen Spieles höchste Lust ausgelöst."

So weit Ritter Juppitter.
Die von Juppitter beschriebenen Augenblicke sind es, in denen man sich wirklich wie in einem „Schlaraffenland des Geistes" fühlt.

+ 8. Die Voraussetzungen für das Spiel

+ 8.1. Wer kann Schlaraffe werden?

Als Stammtisch geboren, als Protestverein weitergeführt, heute eine Gemeinschaft von Männern, denen Kunst, Humor und Freundschaft hohe Werte sind - das war und ist Schlaraffia.
Wie ist es möglich, dass ein Stammtisch im Prag des 19. Jahrhunderts die Kraft entwickeln konnte, Nährboden für eine große Gemeinschaft zu werden, die alle Kontinente umfasst?
Jeder, der sich mit dieser Frage beschäftigt, kann zu einer anderen Erklärung kommen. Hier ist meine:

+ 8.2. Das Prinzip der Auslese

Es wurde das Prinzip einer ganz bewussten Auslese entwickelt.
Es können nur Männer Mitglieder eines Schlaraffen- reyches und damit Mitspieler werden, die ganz bestimmte innere und äußere Voraussetzungen mitbringen.
Es sind - in etwa - folgende Eigenschaften und Fähigkeiten:

Humor
Interesse für Kunst im umfassendsten Sinne
Eventuell künstlerisch tätig zu sein, als Profi oder Amateur
Sich freuen zu können
Zuhören zu können
Spielregeln zu respektieren
Freundschaftliche Gefühle gegenüber Mitspielern zu entwickeln

Außerdem schreibt der Spiegel vor, dass nur Männer, die „unbescholten" sind und eine „gesicherte Position" haben, Aufnahme finden können.

 

+ 8.3. Die Rolle der Frauen

Hier erhebt sich die Frage, wieso Schlaraffia eine Gemeinschaft von Männern ist, also Frauen nicht Mitglieder werden können.
Das hängt mit den beiden Spielelementen „Ritterspiel" und „Hochhalten der Freundschaft" zusammen.
In dem schlaraffischen Pseudo-Ritterspiel haben Frauen - getreu der mittelalterlichen Vorlage - keinen Platz. Sie können, wie in der Mittel- und Oberschicht des Mittelalters, offiziell (und alles, was im schlaraffischen Spiel geschieht, ist hochoffiziell) keine Rolle spielen.
(Um einen „hinkenden" Vergleich zu bemühen: In einer Männer-Sportmannschaflt spielen auch keine Frauen mit.)
Das Hochhalten der Freundschaft, wenn auch ganz unterschiedlicher Grade, ist ein fast noch stärkerer Grund für das Spielen ohne Frauen:
Die Freundschaft zwischen Frauen und Männern unterscheidet sich meist stark von der zwischen Männern oder der zwischen Frauen.
Es ist nie auszuschließen, dass Erotik dabei ins Spiel (!) kommt.
Für das schlaraffische Spiel wäre diese Art von Freundschaft zerstörerisch, ja tödlich. Aus dem Spiel würde Wirklichkeit, aus den Spielern würden Rivalen.
Natürlich ist die Einstellung der Frauen zur Schlaraffia im persönlichen Umfeld der Schlaraffen sehr wichtig, ganz gleich, ob Ehefrauen (Burgfrauen), Freundinnen (Burgwonnen), Töchter (Burgmaiden), Schwiegermütter (Burgschrecken) usw.
Ohne deren positive Einstellung und vorbereitende Mitwirkung könnte kein Mann auf Dauer Mitspieler sein.
Deshalb wurde schon bald nach Gründung der Schlaraffia in die Satzung aufgenommen, dass einmal in der „Winterung" (Sippungs-Jahreszeit) eine Sippung mit Burgfrauen stattfinden muss.
Auch das Programm der „Sommerung" (Jahreszeit ohne Sippungen) wird in vielen Reychen stark auf die Interessen der Frauen ausgerichtet, ganz abgesehen von vielen Festen, die ohne Frauen gar nicht stattfinden könnten.
Ich füge hier eine Fechsung ein, die ich vor einigen Jahrungen (Jahren) vorgetragen habe. So grotesk ihr Inhalt ist, kann er vielleicht noch deutlicher machen, warum Frauen im schlaraffischen Spiel keinen Platz haben.

„Erschröckliche" Vision: Frauen im schlaraffischen Spiel!
„Erb-Oberschlarajfe Florett der Rostratege hatte einen Traum:
Im Jahre des Uhu 205 (2064) hatte das Allschlaraffische Concil beschlossen, auch Frauen die Mitgliedschaft in der Schlaraffia zu ermöglichen.
Florett, der im Traum Vorsitzender des Concils war, hatte mit allen Kräften gegen diesen Beschluss gekämpft und mit seinem Rücktritt gedroht. Es hatte nichts genützt. Die Legaten nahmen seinen Rücktritt an und beschlossen mit Vierfünftel-Mehrheit die folgenschwere Satzungsänderung.
Burgfrauen, Burgschrecken, Burgwonnen, Burgmaiden wurden in hellen Scharen Sassinnen und erklommen ganz legal und unaufhaltsam die schlaraffische Stufenleiter.
„Pilgerin", „Prüfline", „Knappin", „Junkfrau" und „Ritterine " waren die Bezeichnungen für den weiblichen Teil der schlaraffischen Hierarchie.
In den Reychen entwickelte sich ein völlig neues Spielverständnis.
Die männlichen Sassen lernten den weiblichen Anhang ihrer Freunde näher kennen. Manche lernten sich sogar „sehr nahe" kennen. Der Begriff „Freundschaft"
bekam dadurch einen neuen, hoch brisanten Inhalt. Und als dann die ersten „spielerisch " entstandenen „Burgknäpplein" und „Burgmaiden" das Licht der Welt erblickten, beantragten einige Reyche, dass dieser schlaraffische „Eigenbau" mit dem 18. Lebensjahr ohne Kugelung sofort als Ritterine oder Ritter aufgenommen werden müsse.
Wie froh war Florett, dass alles nur ein Traum war!"

+ 9. Besonderheiten des schlaraffischen Spiels

+ 9.1. Der Ritterschlag

Der Ritterschlag wird im Spiegel als eine der bedeutungsvollsten und feierlichsten Handlungen bezeichnet.
Er ist eine eindrucksvolle Mischung aus komischem Ernst und ernster Heiterkeit und wird außerordentlich weihevoll (daher die Komik!) durchgeführt.
Man bedenke: Erwachsene, seriöse, ernsthafte Männer, in Pseudo-Ritterkleidung, knieen vor einem ebensolchen Mann, werden von ihm mit dem „Reychsschwert" auf dem Kopf und an beiden Schultern berührt, hören sich im Beisein eines präparierten Uhus einen von den Ur- schlaraffen her überlieferten ernst-komischen Text an, geloben diesem Uhu Treue und werden von allen Sassen bejubelt und gefeiert.
Wenn das nicht verrückt ist!

+ 9.2. Der Uhu

Im Spiegel steht (§ 3):
1. „Jedes Schlaraffenreych steht im Sinne des schlaraffischen Humors unter dem Schutze Uhus, der bei Ergüssen der Freude als ,Aha' und überall, wo ein den Zwecken der Schlaraffia widerstrebendes Element zutage tritt, als ,Oho' sich offenbart."
2. Uhu, als symbolisch-humorvoller Inbegriff aller schlaraffischen Tugend und Weisheit, als der Urgrund allen Schlaraffentums, findet in seiner sichtbaren Verkörperung die allerhöchste Verehrung im Reych und flößt geheimnisvoll dem „fungierenden Oberschlaraffen die Erleuchtung und sämtlichen Sassen den Gehorsam gegen seine Verfugungen ein."
Das war nicht immer so. Bei Gründung der „Praga" war von Uhu noch keine Rede. Erst später wurde den „Schutzgeistern" Aha, Oho, Uhu ein Altar errichtet, vor dem man sich devot verbeugte.
Die heutige Verehrung des Uhu als des „Schutzgeistes" der Schlaraffia ist Ergebnis einer Entwicklung, die Elemente des Griechentums (Pallas Athene), verschiedener anderer Mythologien und vieles andere mit einschließt.
Es gibt auch andere Lesarten. Eine davon - eine sehr „schlaraffische" - ist folgende, mündlich überlieferte:
Zur Zeit, als die Urschlaraffen noch bei Freund (der ersten Burg der Praga) sippten, war am Deutschen Landestheater eine dramatische Sängerin beschäftigt, die sich besonders üppiger Körperformen erfreute.
Eines Abends stand sie in der Oper „Norma " von Bellini, Runen legend, in gebückter Haltung auf der Bühne, und der Urschlaraffe Eilers, der einen Priester sang, trat zusammen mit einem „Priester"-Kollegen aus der Kulisse. Die in gebückter Haltung besonders imposante Kehrseite derNonna wirkte so übewältigend auf die beiden, dass sie unwillkürlich in ein lautes „Ah!" des Erstaunens und der Bewunderung ausbrachen.
Im Zuschauerraum wurde das gehört und fand dort einen überaus fröhlichen Widerhall.
Am Stammtisch bei Freund wurde der Vorgang unmittelbar nach der Vorstellung erörtert und weidlich belacht. Als die beiden Sänger bald darauf erschienen, begrüßte sie ein allgemeines fröhliches „Aha" der Zechgenossen.
Der zum Rundtrunk benutzte mächtige Humpen wies in seinen Formen eine frappante Ähnlichkeit mit jenem üppig entwickelten Körperteil der betreffenden Sängerin auf, deshalb wurde er von dieser Zeit an scherzhaft als „Aha" bezeichnet
.
Ein ebenfalls benutzter kleinerer Pokal wurde dann durch einfache Lautverschiebung zum „Uhu".
An den Vogel der Athene als Sinnbild der Schlaraffia dachte zu dieser Zeit noch niemand.
Einige Zeit später schenkte ein Schlaraffe der Schlaraffia einen lebendigen Uhu. Und es war wiederum nur eine Gedankenverbindung, die dann vom Humpen „Uhu" zum Vogel „Uhu" führte.
Ganz gleich, wie es zum Uhu kam, auf jeden Fall spielt dieser Uhu seit jener Zeit eine ganz besondere Rolle im schlaraffischen Spiel und wird feierlich und mit großem Ernst verehrt, was wiederum sehr komisch wirkt.

+ 9.3. Der Schlaraffengruß

Bei der Begrüßung, beim Abschied und als Beifallsruf sagen die Schlaraffen „Lulu".
Wie es zu diesem „Lulu" kam, wird wie folgt überliefert:
Im Jahr 1859, dem Gründungsjahr der Schlaraffia, war Friedrich Schillers hundertster Geburtstag. Dieser Tag wurde auch in Prag mit großen Festlichkeiten und mit Aufführungen von Schillers Wallenstein-Trilo- gie gefeiert.
In „Wallenstein Lager" (7. Auftritt) ruft der 1. Jäger: „Lustig, lustig, da kommen die Prager!"
Danach begrüßten sich einige Schauspieler, die der werdenden Schlaraffia angehörten, mit dem Zitatfragment „lustig, lustig!" Daraus wurde sehr bald - abgekürzt - „lulu".

Übrigens: von den anderen Gästen in Freunds Restaurant wurden die Schlaraffen als „Lulu-Brüder" bezeichnet.
Überliefert wurde dies vom weiland Ritter „Minnelob von Branntenstein" des hohen Reyches Kyborgia (Coburg). Er könnte es vom Urschlaraffen „Graf Gleichen" (jenem Sänger Eilers, den die „Norma" zum „Aha" inspiriert hat) gehört haben, der viele Jahre am Theater in Coburg wirkte.